Projektabschluss «Partizipatives Budget»

Wir hatten die Durchführung eines Tests zum «Citizen Budget» (partizipatives Budget) vorgesehen. Dabei entscheiden Bürger:innen über die Verwendung eines bestimmten Budgets im öffentlichen Bereich. Aus diversen Gründen haben wir jedoch entschieden, das Projekt nicht durchzuführen. Hier erläutern wir die wichtigsten Gründe für diesen Entscheid.

Schwierigkeiten der Finanzierung und der Umsetzung

Im Rahmen eines partizipativen Budgets können die Bürger:innen direkt über die Verwendung eines bestimmten Betrages oder prozentualen Anteils des Budgets einer Stadt oder eines Kantons entscheiden. Soll ein solches Instrument getestet werden, steht man vor  der Herausforderung, eine “doppelte Finanzierung” bereitstellen zu müssen: Einerseits ist es notwendig, wie bei allen anderen Projekten über ausreichende Ressourcen für die wissenschaftliche und kommunikative Begleitung zu verfügen. Andererseits muss eine bestimmte Summe an finanziellen Mitteln bereitstehen, die die Bürger:innen im Rahmen eines realitätsnahen Experiments tatsächlich verteilen können. Die wissenschaftliche und kommunikative Begleitung des Projekts wäre finanziert gewesen, doch ist es nicht gelungen, eine Finanzierung des zu verteilenden Budgets zu sichern.

Erfahrungen aus anderen Pilotversuchen mit partizipativen Budgets (z.B. Stadt Zürich, Quartieridee Wipkingen) haben gezeigt, dass die Moderation eines solchen Prozesses deutlich aufwendiger ist, als von uns ursprünglich angenommen.

Zudem wäre auch die konkrete Umsetzung der von den Bürger:innen beschlossenen Verwendung des Budgets entweder sehr kompliziert und langwierig geworden oder die Verwendungsmöglichkeiten hätten von Beginn an sehr stark beschränkt werden müssen. Hätten die Bürger:innen beschlossen, dass aus dem partizipativen Budget heraus z.B. die Aufwertung eines Quartierplatzes oder einer Strasse finanziert werden soll, so hätte dies aus politischen und rechtlichen Gründen nicht durch das «Demokratie Labor Basel» umgesetzt werden können.

Die Alternative dazu – eine rein «spielerische» Umsetzung des Experiments, das nicht auf eine tatsächliche Realisierung abzielte – erschien uns aufgrund der sonstigen inhaltlichen Ausrichtung des «Demokratie Labor Basel» (Durchführung von Tests im Rahmen möglichst realitätsnaher Situationen) als wenig sinnvoll.

Aus diesen Gründen sind die Projektpartner im Sommer 2023 zum Schluss gelangt, auf die experimentelle Durchführung dieses Teilprojekts zu verzichten.

Bereits durchgeführte Projekte

Seit die Idee zum Demokratie Labor Basel entwickelt worden ist, hat sich auch das Umfeld insofern verändert, als dass bereits in mehreren Schweizer Städten “Citizen Budget”-Projekte durchgeführt worden sind und entsprechende Erfahrungen gesammelt werden konnten. Stand Frühling 2023 gelangten partizipative Budgets an den folgenden Orten zum Einsatz: Lausanne, Zürich, Luzern/Emmen und Aarau. Zumindest die Projekte in Lausanne und Zürich wurden auch wissenschaftlich evaluiert. Eine weitere Studie dazu im Rahmen des Demokratie Labors Basel hätte somit kaum zu zusätzlichen Erkenntnissen geführt.

Aus dem Zürcher “Stadtidee”-Projekt wurde ein kostenloser Leitfaden für die Durchführung von partizipativen Budgets entwickelt, der auch die Erkenntnisse aus den Projekten in Lausanne und Luzern einschliesst. Zudem haben sich auch digitale Tools etabliert, die interessierten Städten und Gemeinden eine Hilfestellung für die Durchführung partizipativer Budgets bieten (z.B. die E-Mitwirkung-Plattform oder Decidim).

Gemäss der auf regiosuisse.ch publizierten Zusammenstellung lassen sich die wichtigsten Erkenntnisse bisheriger “Citizen Budget”-Projekte in folgenden Punkten zusammenfassen:

  • Sofern der Prozess einfach und niederschwellig aufgebaut ist, bieten partizipative Budgets wertvolle Beteiligungsmöglichkeiten, aus denen identitätsstiftende Initiativen entstehen können. Damit sich die Bevölkerung engagiert, braucht es eine klare Kommunikation, einfache Kriterien, eine nutzer:innenfreundliche Möglichkeit der Eingabe sowie eine unbürokratische Umsetzung.

  • Es wird empfohlen, die Einführung eines partizipativen Budgets immer zuerst im Rahmen einer Pilotphase in einem überschaubaren Perimeter zu testen. Die Projektträgerschaft sollte sich bei der Konzeption und Umsetzung begleiten und beraten lassen. Auch der Austausch mit anderen Städten und Gemeinden bietet sich an.

  • In die Kommunikation zu investieren und eine breite Bevölkerung zu erreichen, ist wichtig. Hier lohnt sich die Zusammenarbeit mit Multiplikatoren

Ein weisser Fleck bleibt

Im Rahmen der bisher in der Schweiz durchgeführten partizipativen Budgets handelt es sich jedoch um einmalig durchgeführte Projekte oder um Projekte, für die relativ geringe Budgets zur Verfügung gestellt werden. Das grösste partizipative Budget (rund eine halbe Million Franken) gab es in der Stadt Zürich zu verteilen. Die Gelder dazu kamen jedoch aus einer einmaligen Spende aus dem Jubiläumsfonds der Zürcher Kantonalbank und nicht aus dem ordentlichen Budget der Stadt. Das Projekt wird denn auch nicht weitergeführt.

Das ursprüngliche Konzept der partizipativen Budgets sieht an sich vor, dass die Bürger:innen jedes Jahr über die Verwendung eines bestimmten Prozentanteils des öffentlichen Budgets direkt bestimmen können. In Madrid waren das beispielsweise in den vergangenen Jahren 1-2%. Übertragen auf Zürich würde dies bedeuten, dass bei einem Budget von ungefähr 10 Milliarden Franken (2023) 100-200 Millionen Franken über partizipative Budgets verteilt würden.

In der Schweiz gibt es bis heute keine partizipativen Budgets, die fix im öffentlichen Budget vorgesehen sind, bislang wurden nur Pilotversuche durchgeführt. Bei diesen handelt es sich allerdings streng genommen, wie im Falle von Zürich um Projektwettbewerbe, bei denen die Ideen liefernden Teilnehmer:innen die vorgeschlagenen Projekte selbst umsetzen müssen. In “echten” partizipativen Budgets obliegt die Umsetzung der öffentlichen Hand selbst.

Die in Madrid durchgeführten Evaluationen haben deutlich aufgezeigt, dass die jährliche Bereitstellung eines grossen partizipativen Budgets allein nicht ausreicht, um solche Projekte erfolgreich durchzuführen. Der Begleitungsaufwand durch die öffentliche Verwaltung (rechtliche und technische Machbarkeitsabklärungen, kommunikative Begleitung und Moderation des Prozesses) ist beträchtlich. Zudem ist wichtig, dass die über das partizipativen Budgets finanzierten Projekte zeitnah (12-18 Monate) umgesetzt werden, ansonsten läuft man Gefahr, dass die Bürger:innen sich nicht ernst genommen fühlen und sich nicht mehr weiter engagieren.

Es ist offensichtlich, dass ein solch anspruchsvolles und aufwändiges Projekt nicht vom Demokratie Labor durchgeführt werden kann. Umso wünschenswerter wäre es, wenn ein umfassender Ansatz eines partizipativen Budgets von einer Schweizer Gemeinde oder Stadt angegangen werden würde.

Zurück
Zurück

Kommentare und Fragen zum Bürger:innen-Brief

Weiter
Weiter

Schlussbericht zum skalenbasierten Abstimmen