Kommentare und Fragen zum Bürger:innen-Brief
Im Rahmen der Befragung zum Teilprojekt «Panel Citoyen», bei dem Bürger:innen zusammenkamen, um einen Bürger:innen-Brief zum Klimagesetz zu verfassen, haben uns zahlreiche Fragen und Kommentare erreicht. Einige davon möchten wir hier aufgreifen und diskutieren.
Umfang des Briefs
Bezüglich der Gestaltung des Briefes zeigt sich, dass unterschiedliche Bedürfnisse vorhanden sind. Während die einen den Brief angenehm kompakt und die darin enthaltenen Informationen als übersichtlich empfinden, kritisieren andere dies wiederum als zu knapp oder zu oberflächlich. Einige Teilnehmer:innen begrüssen, dass im Brief die Pro- und Contra-Argumente ausgeglichen dargestellt sind. Zudem wird die Gegenüberstellung der Argumente positiv bewertet, da die Gegenstimme sonst häufig ausgeblendet wird. Dem steht der Eindruck entgegen, dass diese Ausgeglichenheit künstlich erzeugt wird und dass nicht jedes Argument dasselbe Gewicht hat.
Unsere Einschätzung: Der Bürger:innenbrief ist bewusst kompakt gehalten, sodass dieser von möglichst vielen Personen gelesen wird. Er dient hauptsächlich als Überblick über die wichtigsten Punkte und Argumente zu einer Abstimmungsvorlage. Bewusst verzichtet der Bürger:innenbrief darauf, Partei zu ergreifen, weshalb gleich viele Pro- und Contra-Argumente einbezogen werden. Der Bürger:innenbrief soll als Entscheidungshilfe dienen, nicht aber als Abstimmungsempfehlung - diese geben die diversen Interessenverbände und Parteien bereits ab.
Vertrauen/kein Vertrauen in den Brief
Eines der Hauptargumente für das Verfahren des Panel Citoyen und den daraus resultierenden Bürger:innenbrief bildet der Vertrauensvorsprung, den dieser gegenüber anderen Informationsquellen geniessen soll. Das durch Zufall ausgewählte Panel spiegelt die Gesellschaft wider und verhindert dabei unausgewogene Formulierungen. Durch die Vorgabe, sowohl die Pro- als auch die Contra-Argumente darzustellen, aber keine Abstimmungsempfehlung abzugeben, soll die Neutralität des Briefes gewährleistet werden.
Nicht alle Teilnehmer:innen sind von diesen Punkten überzeugt. Sie bringen dem Bürger:innenbrief kein zusätzliches Vertrauen entgegen. Die Gründe dafür liegen meist im Verfahren: Sie kennen die Verfasser:innen nicht, sie bleiben anonym. Einige unserer Teilnehmer:innen mögen diesen unbekannten Stimmen kein Vertrauen entgegenbringen, manche von ihnen auch deshalb, weil es sich beim Panel nicht um Sachverständige handelt. Das Misstrauen gilt dabei nicht unbedingt den beteiligten Personen, sondern auch dem Verfahren, wie sie ausgewählt werden.
Darüber hinaus fehlten einigen die Quellenangaben in unserem Bürger:innenbrief.
Unsere Einschätzung: Das Panel Citoyen und der daraus resultierende Bürger:innenbrief verfügen über ein grosses Potential, ein hohes Mass an Vertrauen von Seiten der Bürger:innen zu erfahren. Dieses steht und fällt mit dem Vertrauen in den dahinterliegenden Prozess. Es braucht eine vertrauenswürdige Institution, die nach festen Regeln Teilnehmer:innen aussucht. Es ist wichtig, dass die Teilnehmer:innen des Panels möglichst die tatsächliche Bevölkerung (insbesondere unterschiedliche politische Meinungen) widerspiegeln.
Das Panel Citoyen gibt bewusst keine Abstimmungsempfehlung ab. Es geht nämlich nicht darum, dass sich im Panel alle einig werden, sondern darum, gemeinsam die wichtigsten Informationen und Argumente beider Lager zusammenzufassen.
Das Auswahlverfahren findet ausserdem auf der Basis einer Zufallsstichprobe statt, wodurch die Möglichkeiten der Manipulation reduziert werden. Als Schwachpunkt des Auswahlverfahrens kann die in der Bevölkerung ungleich verteilte Bereitschaft und Möglichkeit zur Beteiligung an solchen Veranstaltungen bezeichnet werden.
Einfache Sprache
Ein weiterer Vorteil des Bürger:innenbriefs ist die vergleichsweise einfache Sprache. Der Brief wird von Bürger:innen und eben nicht von Expert:innen oder Politiker:innen verfasst. Dies wurde in der Nachbefragung auch von vielen positiv angemerkt. In unserem Beispiel war einigen Empfänger:innen die Sprache jedoch noch nicht einfach genug. Der Brief wurde teilweise als zu textlastig und zu dicht bewertet. Es wurde auch der Wunsch formuliert, mehr mit Aufzählungen zu arbeiten.
Unsere Einschätzung: Tatsächlich ist es nicht einfach, ein so komplexes Thema wie eine Abstimmung zur Frage des Klimaschutzes auf nur zwei Seiten zusammenzufassen und auch die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente zu benennen. Auch werden durch die Reduktion auf jeweils drei Argumente vermutlich weitere Argumente ausgeblendet. In unserem Versuch war dies der Fall. In den Kleingruppen fanden sich jeweils mehr als drei Argumente auf unseren Tafeln. Die Reduktion fand anhand der individuellen Gewichtungen innerhalb der Kleingruppen statt und dann noch einmal per Abstimmung in der gesamten Gruppe. Die Teilnehmer:innen haben beim Verfassen des Briefs mehrere Male explizit auf eine einfache und eindeutige Formulierung geachtet. Diesbezüglich hat sich die Gruppe auch ohne unsere explizite Vorgabe an einer breiten Bevölkerung orientiert und versucht, einen Brief zu formulieren, der für möglichst viele Empfänger:innen verständlich ist.
Keine neuen Informationen
Während einige Teilnehmer:innen den Überblick über das Thema begrüssten, den der Brief anbot, wurde in zahlreichen Kommentaren vorgebracht, dass der Brief keine neuen Informationen lieferte.
Unsere Einschätzung: In der Tat liefert der Brief keine neuen, bislang unbekannten Informationen. Was im Brief enthalten ist, steht bereits an einem anderen Ort geschrieben und wird auch von anderen Quellen benannt. Die Teilnehmer:innen des Panel Citoyen tragen diese Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammen und komprimieren diese auf zwei Seiten. Eine Person, die sich vor Erhalt selbstständig schon ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wird somit tatsächlich inhaltlich kaum Neues erfahren.
Auffällig ist, dass Personen aus der Kontrollgruppe, also diejenigen, die den Brief erst nach der Abstimmung erhalten haben, öfter der Ansicht sind, dass der Brief keine neuen Informationen liefert.
Den Bürger:innen-Brief und den Schlussbericht zum Projekt können Sie hier einsehen: Link.