Ranked Choice
Modul 1, Teilprojekt 2
«Ranked Choice» bezeichnet das Rangfolge-Wahlverfahren. Wahlberechtigte können bei dieser Methode die Kandidierenden in ihrer gewünschten Reihenfolge auflisten und ihre Stimmen gehen bei einer Nicht-Wahl der Erstgenannten auf die nächste Priorität über. Dadurch können weitere Wahlgänge verhindert werden.
Durchgeführt November 2023 (Ständeratswahl)
2. Durchführung geplant für November 2024
(Grossrats- und Regierungsratswahl)
Nutzen und Ziele
In der Schweiz sind bei Wahlen nach Mehrheitswahlrecht (Majorzwahlen) üblicherweise zwei Wahlgänge vorgesehen: Erreicht kein:e Kandidierende:r in der ersten Runde die absolute Mehrheit (50 % der Stimmen plus eine), müssen sie sich einige Wochen später in einer zweiten Runde nochmals den Wähler:innen stellen, wobei dann nur noch die relative Mehrheit (die meisten Stimmen) entscheidet. Als Wähler:in muss man sich für eine kandidierende Person entscheiden, wird sie nicht gewählt, ist die Stimme verloren.
Dieses Verfahren führt zu einer verzerrten Abbildung der politischen Präferenzen, weil man als Wähler:in oft mit dem Dilemma konfrontiert wird, dass die bevorzugten Kandidierenden nur geringe Wahlchancen haben, während Kandidierende, die inhaltlich für sie eher die zweite Wahl darstellen, über deutlich bessere Wahlaussichten verfügen. Man steht somit vor der Frage, ob man gemäss eigener Präferenzen oder gemäss strategischen Überlegungen wählen soll.
Das Ranked-Choice-Verfahren bietet dazu eine Alternative, die sich in angelsächsischen Ländern seit Jahrzehnten bewährt hat. Das Verfahren hat zwei Vorteile: Die Wähler:innen können sämtliche für sie wählbaren Kandidierenden auf dem Wahlzettel in eine präferierte Rangreihenfolge bringen, ohne dass sie das Risiko eingehen, ihre Stimme zu verschenken. Zudem entfällt die Organisation eines zweiten Wahlgangs, da alle Sitze in einem Durchgang besetzt werden können.
Fragestellungen
Wie beurteilen die Wähler:innen die neue Wahlmöglichkeit bezüglich Nutzen, Chancen und Risiken?
Wie gross fällt die Akzeptanz der neuen Verfahren bei den Wähler:innen aus?
Führen die neuen Verfahren zu einer Überforderung der Wähler:innen?
Führen die neuen Verfahren zu einer Veränderung der individuellen und/oder der kollektiven Entscheidung?
Fragen der institutionellen Ausgestaltung des Wahlsystems: Welche Unterschiede beim Wahlergebnis ergeben sich je nach gewählter Berechnungsmethode?
Im Rahmen eines experimentellen Forschungsdesigns werden die Handhabung und die Auswirkungen des alternativen Wahlverfahrens im Kontext der real stattfindenden Wahlen im Herbst 2023 und 2024 getestet (Ständeratswahl Oktober 2023, Grossrats- und Regierungsratswahl Oktober 2024) .
Erkenntnisse
Die Befragung hat gezeigt, dass 58% der Befragten zumindest ab und zu Schwierigkeiten haben, bei einer Wahl einen klaren Entscheid zu treffen. Rund 20% haben deshalb schon auf die Wahlteilnahme verzichtet, davon ein Viertel wegen unpassender Kandidierenden und etwas mehr (29%), weil sie sich nicht für eine Person entscheiden konnten.
Die Ständeratswahl wies eine klare politische Ausgangslage auf und es konnte keine Veränderung des Wahlresultats aufgrund eines veränderten Wahlverfahrens nachgewiesen werden.
Unter denjenigen Befragten die heute nicht oder nur unregelmässig an (Personen-)Wahlen teilnehmen würden sich 48% durch das Ranked-Choice-Verfahren zur vermehrten Wahlteilnahme motiviert sehen. 80% von ihnen würden die Einführung des Verfahrens begrüssen.
Von den regelmässig an Wahlen teilnehmenden Befragten sind 60% für einen Wechsel des Wahlsystems auf ein Ranked-Choice-Verfahren.
Beide Gruppen (die häufig Wählenden und die nicht oder nur unregelmässig Wählenden) sehen mit dem Ranked-Choice-Verfahren ihre politischen Präferenzen besser abgebildet.
Es wird befürchtet, dass mit dem neuen Verfahren das Wählen komplizierter werden und die Leute überfordern könnte.
Handlungsempfehlungen
Aufgrund der positiven Haltung – gerade auch von Gruppen, die eher wenig an Wahlen teilnehmen oder die sich vor dem Wahlentscheid häufig unentschlossen zeigen – lohnt es sich, die mögliche Einführung des RCV-Verfahrens weiterhin ins Auge zu fassen.
Um die Aussagekraft der vorliegenden Resultate zu erhöhen, sollte mindestens ein weiterer wissenschaftlich begleiteter Test des neuen Wahlverfahrens im Kontext einer Wahl stattfinden, bei der die politische Ausgangslage deutlich offener ist als bei den letzten Ständeratswahlen. Einen geeigneten Rahmen stellen diesbezüglich die Regierungsratswahlen 2024 dar.
Im Rahmen der zukünftigen Behandlung des Themas sollten insbesondere Informations- und Design-Aspekte berücksichtigt werden, um eine für die Bürger:innen einfach verständliche Variante eines Wahlzettels zu gestalten und zu kommunizieren.
Berichte
Zusammenfassung Schlussbericht (Executive Summary)
Schlussbericht Ranked Choice
Weiterführende Links
Blogbeitrag