Fuzzy Voting

Modul 1, Teilprojekt 1

«Fuzzy Voting» ist skalenbasiertes Abstimmen. In diesem Projekt testeten wir neue Abstimmungsverfahren, die Stimmberechtigten die Möglichkeit geben, ihre politische Position differenzierter als nur mit «Ja» oder «Nein» auszudrücken.


Durchgeführt November 2022

Nutzen und Ziele

Die Schweiz bietet ihren Bürger:innen weitreichende Möglichkeiten der direkten Mitbestimmung. Das Abstimmungsverfahren hat sich jedoch seit 1848 kaum verändert. Es wird nur nach Zustimmung oder Ablehnung gefragt: Ja oder Nein. Die Stimmberechtigten haben aber oft nuancierte Ansichten, die bisher auf dem Stimmzettel nicht ausgedrückt werden können. Im Rahmen des Teilprojekts «Fuzzy Voting» werden Verfahren entwickelt, getestet und ausgewertet, die der sogenannten Fuzzy-Logik, der Datenverarbeitung von Wahrheitsgraden, folgen. Diese ermöglicht es, Vorlagen nicht nur vollständig zuzustimmen oder sie gänzlich abzulehnen. So werden die politischen Präferenzen und die Position der Stimmenden realistischer abgebildet. 

Fragestellungen

  • Wie beurteilen die teilnehmenden Bürger:innen die neuen Abstimmungsformen bezüglich Nutzen, Chancen und Risiken?

  • Wie hoch fällt die Akzeptanz der neuen Verfahren bei den Bürger:innen aus?

  • Führen die neuen Verfahren zu einer Überforderung der Bürger:innen?

  • Führen die neuen Verfahren zu einer Veränderung der individuellen und/oder der kollektiven Entscheidung?

  • Fragen der institutionellen Ausgestaltung der neuen Verfahren: Welche Abstufungen auf den Skalen sind sinnvoll? Welche Möglichkeiten bestehen bezüglich der Auswahl und Festlegung der angebotenen Abstimmungsoptionen?

Im Rahmen eines experimentellen Forschungsdesigns wurden die Handhabung und die Auswirkungen der neuen Abstimmungsverfahren im Kontext der real stattfindenden Volksabstimmungen im Herbst 2022 getestet.

Erkenntnisse

  • Die Befragung hat gezeigt, dass mehr als 60% der Befragten zumindest ab und zu Schwierigkeiten haben, sich vor einer Abstimmung eine klare Meinung zu bilden. Über 40% haben deshalb schon auf die Teilnahme an einer Abstimmung verzichtet oder fast verzichtet.

  • Ein generell hoher Grad an Unentschlossenheit vor Abstimmungen, eine erhöhte Unzufriedenheit mit der Demokratie sowie ein tieferer Bildungsabschluss gehen mit einer grösseren Verschiebung beim Stimmentscheid mittels Fuzzy Voting einher.

  • Personen, die eine eher tiefe Zufriedenheit mit der Demokratie sowie eine höhere Unentschlossenheit vor Abstimmungen aufweisen, sehen sich durch das neue Abstimmungsverfahren zusätzlich zur Teilnahme an Abstimmungen motiviert sehen.

  • Eine Einführung des skalenbasierten Verfahrens wird dennoch mehrheitlich skeptisch betrachtet.

  • Die Studie konnte zudem zeigen, dass durch das neue Verfahren das Gesamtresultat der Untersuchungsvorlage vom November 2022 keine starken Veränderungen erfährt, wobei man aber bei knappen Volksentscheiden durchaus zu

    einem anderen Ergebnis kommen könnte.

Handlungsempfehlungen

  1. Fuzzy-Voting-Verfahren sollten weiter getestet und erforscht werden. Da das skalenbasierte Abstimmungsverfahren vor allem diejenigen Gruppen anspricht, die sich eher selten oder gar nicht an Abstimmungen beteiligen, stellt sich die Frage, wie das Verfahren auszugestalten wäre, damit unentschlossene Nichtwähler:innen zu einer Stimmabgabe motiviert werden könnten.

  2. Hinterfragen des Umganges von Politik und Öffentlichkeit mit der Interpretation von Abstimmungsresultaten. Fuzzy-Voting-Verfahren bilden die Positionen der Bevölkerung besser ab und wenn sich ein grosser Teil der Stimmenden für Werte im mittleren Bereich ausspricht, ist das Ergebnis einer Abstimmung anders zu interpretieren als das heute der Fall ist.

  3. Die visuelle und sprachliche Ausgestaltung der Skala sollte weiter erforscht und ausgearbeitet werden.

  4. Herausarbeiten von Optionen zur Übertragung des skalenbasierten Verfahrens auf den physischen Stimmzettel.

Berichte

Zusammenfassung Schlussbericht (Executive Summary)

Schlussbericht Fuzzy Voting

Weiterführende Links

Blogbeitrag

Fachbeitrag SocietyByte: «Steigert Fuzzy Voting die Demokratiezufriedenheit?»