Ein Zusammentreffen von Bevölkerung und Politik
Brauchen Basler:innen mehr Möglichkeiten beim politischen Geschehen mitzuwirken? Und wenn ja, in welcher Form? Das fragten wir unser Publikum und sechs Politikerinnen und Politiker.
Es wurde warm an diesem Abend im kHaus Basel. Kein Wunder, denn auf dem heissen Stuhl bezogen sechs Politikerinnen und Politiker vor rund 60 Zuhörenden Stellung zu den vier Kernthemen aus unseren Bürger:innen-Versammlungen. Am heissesten wurde es dann beim Thema: Braucht Basel einen Bürger:innen-Rat als Ergänzung zum gewählten Parlament? Der Grundtenor lautete «Ja, aber…».
Anfangs Jahr fragten wir die über 3000 registrierten Teilnehmenden des Demokratie Labor Basel : Wo drückt der Schuh? Was möchten Sie an unserer Demokratie ändern? Dabei kamen fast 70 Ideen zur Zukunft der Demokratie zusammen, die im Rahmen unserer Teilstudie 2 des Moduls 3 in zwei Online-Abstimmungen und zwei physischen Bürger:innen-Versammlungen im März und April dieses Jahres mit fast 30 Teilnehmenden diskutiert und evaluiert wurden. Mit den Bürger:innen-Versammlungen testete das Demokratie Labor Basel ein politisches Format, das in anderen Ländern bereits etabliert ist. Dabei wird aus zufällig ausgewählten Bürger:innen ein Gremium zusammengestellt, das einen Lösungsvorschlag für eine gesellschaftliche Herausforderung erarbeitet, der im Anschluss der Stimmbevölkerung vorgelegt wird. Bei unseren Versammlungen kristallisierten sich schliesslich vier Schlüsselfragen zur Zukunft der Demokratie heraus:
Braucht die Schweizer Demokratie fixe Bürger:innen-Räte für mehr Vertrauen und eine Deblockierung in politischen Fragen?
Können und sollen wir zukünftigen Generationen schon heute ein politisches Mitspracherecht gewähren?
Wie können wir junge Menschen bereits in der Schule fit machen für die Herausforderungen der heutigen Demokratie?
Und: Brauchen unsere Quartiervereine mehr direkte Einflussmöglichkeiten mit einem partizipativen Budget?
Das Demokratie Labor stellt dabei keine politischen Forderungen, sondern regt den gesellschaftlichen Diskurs an, indem die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien und daraus entstehende Fragen aktiv in die Politik und die Öffentlichkeit getragen werden. So auch an diesem 22. Mai im kHaus unter der Moderation von Elias Schäfer (Vereinspräsident Demokratie Labor) und Helena Krauser (Redaktorin bei Bajour). Von politischer Seite mit dabei waren: Christian Egeler (Bürgergemeinderat, FDP), Fina Girard (Grossrätin junges grünes bündnis), Mahir Kabakci (SP-Grossrat), Sara Murray (Co-Präsidentin Die Mitte), Daniel Ordás (Vizepräsident GLP Basel-Stadt) und Dr. Stefan Suter (SVP-Grossrat).
Nach Kurzplädoyers der Politikerinnen und Politiker und einer anschliessenden Abstimmung im Publikum wurde die Anzahl der zu diskutierenden Fragen aus der Bürger:innen-Versammlung reduziert, um eine fokussierte Diskussion zu ermöglichen: Die Themen der Bürger:innen-Räte und mehr demokratische Bildung in der Schule wurden klar präferiert und in einem Stichentscheid setzte sich als drittes Thema knapp das Mitspracherecht zukünftiger Generationen vor der Stärkung der Quartiervereine durch – das sicher auch dank der starken Fürsprache von Fina Girard für einen Zukunftsrat.
Hörte man anschliessend den Politikerinnen und Politiker an diesem Abend zu, dann scheint eine baldige Motion für einen ständigen Bürger:innen-Rat in Basel durchaus denkbar zu sein. Geht es nach Daniel Ordás, wäre die Einführung eines Bürger:innen-Rats nämlich der nächste logisch Schritt in der historischen Entwicklung unserer Demokratie und ein Mittel gegen Populismus und die damit zusammenhängende Krise der Demokratie. Vielfach betont wurde die Chance, dass ein solcher Rat den politischen Zugang für Menschen vereinfachen kann, die sonst nicht die Zeit oder die nötigen sozialen und finanziellen Ressourcen haben, um sich aktiv am politischen Geschehen zu beteiligen. So sieht Christian Egeler die Möglichkeit, durch ein solches neues Mitwirkungsgefäss generell das Interesse an der Politik zu wecken und neue Akteur:innen für weitere politische Tätigkeiten motivieren zu können. Für Mahir Kabakci und Sara Murray stand vor allem der Diversitätsaspekt im Vordergrund. Sie sehen die Bürger:innen-Räte als eine Möglichkeit der direkten politischen Mitwirkung von Menschen, die aufgrund ihrer familiären oder beruflichen Situation im normalen politischen Betrieb strukturell ausgeschlossen werden. Nur Stefan Suter hielt dagegen und äusserte sich kritisch zur Idee eines Bürger:innen-Rats. Er gab zu bedenken, dass bereits heute immer weniger Menschen an einem politischen Amt interessiert seien und ein weiteres politisches Gefäss, dieses mangelnde Interesse nicht beheben, sondern schlimmstenfalls noch zur Verschärfung der Situation beitrage, weil es die politische Landschaft weiter ausweite. Er stellte auch die Frage nach der Legitimation und Qualifikation eines solchen ausgelosten Rats gegenüber einem gewählten Parlament. Was sollte ein Bürger:innen-Rat besser können als das gewählte Parlament?
Der Punkt der Qualifikation und Legitimität wurde auch vom Publikum in der offenen Gesprächsrunde nochmals aufgenommen und dabei wurde in Frage gestellt, ob die demokratische Wahl für ein Amt zugleich auch Beleg für die entsprechende Kompetenz sei. Andere Wortmeldungen bezogen sich insbesondere auf Forderungen für einen vereinfachten Zugang zur Stimmberechtigung. Einig waren sich fast alle: Sollte es einen solchen Rat in Zukunft geben, muss er einen klaren Auftrag haben mit klaren Kompetenzen. Es dürfe kein Alibi-Gefäss werden, das zwar Mitwirkung verspreche, aber keine Resultate zeige. Ansonsten wäre Frust vorprogrammiert.
Insgesamt hätte die Diskussion noch deutlich länger weitergeführt werden können. Das Interesse an einem direkten Austausch war gross mit vielen Fragen und Wortmeldungen aus dem Publikum. Entsprechend ist der Anlass aus Sicht des Demokratie Labors gelungen, insbesondere, weil es gelang einen parteiübergreifend Diskurs anzustossen. Nun sind wir gespannt, ob sich das auch in den künftigen politischen Entwicklungen zeigen wird. Wir danken allen Beteiligten und unserem Publikum für ihr Interesse und das Engagement für die Zukunft unserer Demokratie.