Bürger:innen-Briefe für mehr unparteiische Informationen?

Wie informieren wir uns vor Wahlen und Abstimmungen? Wie viele unserer Informationsquellen sind parteiisch, wieviele unparteiisch? Im Teilprojekt «Panel Citoyen» erarbeiten wir eine zusätzliche unparteiische Informationsquelle. Mit einer kleinen Gruppe führten wir einen ganztägigen Workshop, ein sogenanntes Bürger:innen-Panel durch. Die Teilnehmer:innen befassten sich intensiv mit der Abstimmungsvorlage zum Klimagesetz und verfassten einen Bürger:innenbrief mit den wichtigsten Pro- und Contra-Argumenten.

Viermal im Jahr darf die Schweizer Stimmbevölkerung abstimmen und über Sachthemen entscheiden. Bei diesen Abstimmungen geht es um wichtige Themen von gesamtschweizerischer Bedeutung.

In den meisten anderen Demokratien gibt es diese direkte Teilnahme an der staatlichen Politik nicht. Das Schweizer Politsystem wird wegen dieser direkten Mitbestimmungsmöglichkeit  als eine direkte Demokratie bezeichnet.

Um richtig abstimmen und eine bewusste Entscheidung treffen zu können, brauchen wir  fundierte und verständliche  Informationen zum Sachverhalt. Die Abstimmenden haben die Verantwortung, eine bewusste Stimmabgabe zu tätigen basierend auf vorhandenen Informationen. Diese Informationen sollten entsprechend korrekt sein und vollständig sein.

In der Schweiz gibt es hierfür mehrere Kanäle: Das Abstimmungsbüchlein, die Arena und die Erklärvideos von easyVote sind häufig genutzte und bekannte Beispiele. Darüber hinaus gibt es vor den Abstimmungen zahlreiche Artikel und Kommentare in den Tageszeitungen und Kampagnen der Parteien und Komitees. Nicht alle diese Informationsquellen geniessen das gleiche Vertrauen bei den Stimmberechtigten. Bei den Flyern, Plakaten und Parolen der Parteien ist es offensichtlich: sie sind parteiisch.

Die Idee bei unserem Teilprojekt Panel Citoyen ist es, eine weitere, unparteiische Quelle anzubieten, über die sich die Bevölkerung zu einer Abstimmung informieren kann. In diesem Falle sind die Autor:innen zufällig ausgewählte Bürger:innen. Als Gruppe entsprechen sie dabei in ihrer Zusammensetzung hinsichtlichbezüglich Alter, Geschlecht, Bildungsstand und politischer Orientierung möglichst gut der tatsächlichen Stimmbevölkerung.

Ein Panel Citoyen gibt keine Empfehlung für die Annahme oder Ablehnung einer Vorlage ab. Es fasst die aus Sicht der teilnehmenden Personen wichtigsten Informationen zur Abstimmung und die jeweils wichtigsten Pro- und Contra Argumente zusammen und gibt diese in eigenen Worten wieder in einem sogenannten Bürger:innen-Brief.

Der Bürger:innen-Brief wird an die Stimmberechtigten verschickt und (in unserem Experiment eine Kontrollgruppe)  vor der Abstimmung gelesen. Er fasst das Abstimmungsthema und die wichtigsten Argumente der Befürworter:innen und Gegner:innen zusammen. Der Bürger:innen-Brief ist somit dem Abstimmungsbüchlein ähnlich. Er wird aber nicht von der Regierung, sondern von zufällig ausgewählten Bürger:innen verfasst. Bei unserem Workshop haben die Teilnehmer:innen dabei einen hohen Wert auf Verständlichkeit gelegt und bewusst deutliche und einfache Formulierungen gewählt, ohne dass dies eine explizite Vorgabe war.

Je nach Form ist der Bürger:innen-Brief kompakter als das Abstimmungsbüchlein. Er kann in kurzer Zeit durchgelesen werden und so zum Beispiel als Startpunkt für weitere individuelle Recherchen dienen. Nach dem Durchlesen des Briefes hat man ausserdem bereits erste Grundlagenkenntnisse, um mit Arbeitskolleg:innen oder Bekannten und Freunden diskutieren zu können.

Der grösste Wert des Bürger:innen-Briefs ist das Vertrauen in ihn. Da der Brief nicht von Parteien oder Lobbyisten verfasst wurde, sondern von Bürger:innen mit unterschiedlichen Hintergründen und politischen Einstellungen, wird den Informationen mehr Vertrauen geschenkt – zumindest ist dies die Idee dahinter.

Ob sich dies so einlöst und welchen Einfluss ein solcher Bürger:innenbrief auf individuelle Abstimmungsentscheidungen haben kann, wollen wir mit diesem Teilprojekt herausfinden. Die Auswertungen laufen noch, bereits jetzt konnten wir aber wertvolle Erfahrungen sammeln. Unter anderem die, dass sachliche politische Gespräche zwischen Personen mit unterschiedlichen Ansichten sehr wohl möglich sind, ohne dass sich die beiden Parteien dabei anfeinden.

Eine kurze, persönliche Notiz vom Autor Sandro Miescher zum Abschluss: «Kurz vor dem Abstimmungstermin habe ich den Bürger:innenbrief nochmals durchgelesen und auch meiner Lebenspartnerin gezeigt. Eine gute Sache, fanden wir, und hätten uns einen ähnlichen Brief auch für die anderen beiden Vorlagen gewünscht, die zur Abstimmung kamen.»

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Info: Veränderte Projektorganisation