Panel Citoyen
Modul 2, Teilprojekt 1
«Panel Citoyen» ist ein Bürger:innen-Panel, bei dem vor Abstimmungen zufällig ausgewählte Bürger:innen zu einer Versammlung zusammenkommen. In diesem Panel diskutieren sie unter Einbezug von Expert:innen vom Parlament beschlossene Vorlagen und geben eine begründete Stimmempfehlung in Form eines Bürger:innen-Briefs ab.
Durchgeführt Juni 2023 (Klimagesetz)
Nutzen und Ziele
Das «Panel Citoyen» ist eine temporäre Versammlung aus zufällig ausgewählten Bürger:innen, die eine vom Parlament beschlossene Abstimmungsvorlage aus ihrer Sicht beurteilt, in einem mehrstufigen Prozess Pro- und Contra-Argumente erarbeitet und diskutiert und anschliessend eine entsprechend begründete Abstimmungsempfehlung abgibt.
Das Projekt basiert einerseits auf langjährigen Erfahrungen, die in anderen Ländern mit solchen Panels gemacht wurden, andererseits wurde das Verfahren auch in der Schweiz bereits in mehreren Städten testweise im Rahmen von wissenschaftlichen Studien eingesetzt. Im vorliegenden Projekt haben wir das Instrument im Vorfeld der Abstimmung vom 18. Juni 2023 zum Klimagesetzt getestet und evaluiert. Zur Anwendung kam ein vereinfachtes und sehr schlankes Verfahren. Ursprünglich mit Fokus auf eine Online-Durchführung fand das «Panel Citoyen» schliesslich als physischer Event mit 15 Teilnehmenden statt.
Das Projekt will die Perspektiven und Argumente von «Normalbürger:innen» sichtbar machen und dadurch zu mehr Bürgernähe sowie zu einer Stärkung der Akzeptanz und Legitimation politischer Entscheide beitragen. Zudem bietet sich die Möglichkeit, den Argumenten von Bürger:innen ohne Stimmrecht mehr Gehör zu verschaffen.
Fragestellungen
Wie beurteilen die Bürger:innen die Empfehlungen des «Panel Citoyen» (Akzeptanz und Vertrauenswürdigkeit im Vergleich zu den Empfehlungen von Regierung und Parlament)?
Welchen Effekt hat die Kenntnisnahme der Bürger*innen-Empfehlung in Bezug auf die Stimmabgabe (Beteiligung und Stimmentscheid)?
Eignet sich eine rein digitale Durchführung des «Panel Citoyen» für eine qualitativ hochstehende Diskussion und Ausarbeitung von Bürger:innen-Empfehlungen? Auf welche Begleitmassnahmen ist diesbezüglich besonders zu achten?
Erkenntnisse
Ein Bürger:innen-Panel kann auch in einem stark abgekürzten und vereinfachten Verfahren einen Bürger:innen-Brief in ausreichender Qualität erarbeiten.
Der Bürger:innen-Brief wurde bezüglich Verständlichkeit, Gestaltung, Länge, Qualität des Inhalts und Neutralität bzw. Ausgewogenheit überaus gut bewertet.
Den Informationen im Brief wird ein ausserordentlich hohe Vertrauen entgegengebracht, sogar mehr als denjenigen der politischen Parteien oder der Medien. Nur den Abstimmungsinformationen des Bundesrats vertrauen die Befragten noch mehr.
Gut 62% der Studienteilnehmenden haben den Bürger:innen-Brief gelesen, aber nur 33% von ihnen gaben an, dass er ihnen zu einem Informationsgewinn verholfen hat.
70% der Befragten sprechen sich für eine Einführung von Bürger:innen-Panels und Bürger:innen-Briefen als zusätzliche Formate aus.
Handlungsempfehlungen
Einführung eines Bürgerbriefs bei Volksabstimmungen: Die technisch-organisatorische Machbarkeit konnte nachgewiesen werden, die Studienteilnehmenden bewerten den Brief äusserst positiv und vertrauen den Informationen.
Einführung auf Probe: Der Bürgerbrief sollte bei Volksabstimmungen während mindestens zwei Jahren ausprobiert und dabei wissenschaftlich begleitet und untersucht werden. Auf diese Weise können die potenziellen Effekte eines Bürgerbriefs auch mit weniger politisch interessierten Wähler:innen und bei weniger stark polarisierenden Abstimmungsvorlagen sowie Vorlagen über die weniger intensiv berichtet wird, untersucht werden.
Anpassungen des Durchführungskonzepts: Es sollte mehr Zeit zur Verfügung stehen als in unserer Durchführung. Auch stellt sich die Frage, ob ein Panel für mehrere Abstimmungstermine einberufen werden sollte. Die Grösse von ca. 20 Personen für ein Bürgerpanel hat sich bewährt.
Anpassungen beim Rekrutierungsverfahren bei einer generellen Einführung: Zufallsbasiert Einladungsbriefe an ca. 2’000 Personen mit dem Ziel mind. 100 Interessierte zu finden. Nach Ausfüllen eines Fragebogens mit Angaben zu Bildungsabschluss und der politischen Orientierung wird in einer zweiten Runde aus den 100 Interessierten ein möglichst repräsentatives Sample zusammengestellt.
Wir empfehlen eine vergleichende Analyse mit weiteren wissenschaftlichen Studien, die zurzeit in der Schweiz neben diesem Projekt noch durchgeführt werden und sich mit der Einführung von Bürgerbriefen befassen.
Berichte
Zusammenfassung Schlussbericht (Executive Summary)
Weiterführende Links
Blogbeitrag