Über Demokratie und Inklusion

Eine grundlegende Frage für jede Art von Gemeinschaft ist: Wer soll entscheiden? Streng genommen definieren wir Demokratien darüber, dass das Volk – auch «alle» genannt – Teilhabe an der politischen Willensbildung hat. Aber wer sind «alle»? Oder anders gefragt: wer gehört zum Volk?

In der Schweiz ist klar: wählen und abstimmen darf, wer die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt und mind. 18 Jahre alt ist. Nun hat sich aber die Schweizer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten stark verändert und ist diverser geworden. Neben einem relativ grossen Anteil an Menschen ohne Stimmrecht (Personen unter 18 Jahren, in der Schweiz lebende Ausländer:innen und entmündigte Personen) haben wir zudem eine relativ tiefe Wahl- und Stimmbeteiligung von nur etwa 40-50 Prozent. «Alle» sind also längst nicht alle, sondern nur noch ganz wenige, die eigentlich entscheiden. In Basel dürfen zurzeit noch 50,5 Prozent der Bevölkerung an die Urne – so wenige, wie in keinem anderen Kanton. Mit der tiefen Stimm- und Wahlbeteiligung ist es also eine Minderheit, die über die Mehrheit bestimmt.

Müssten wir uns also überlegen, die Stimmpflicht einzuführen so wie das der Kanton Schaffhausen hat?
Dort zahlt man 6 CHF Busse, wenn man nicht wählt oder abstimmt. Mit Wirkung: Schaffhausen weist die höchste Stimmbeteiligung aller Kantone der Schweiz auf. Aber macht es Abstimmungsresultate zwingend besser mit einer Stimmpflicht oder gibt man seine Stimme dann auch mal unüberlegter und schneller, nur damit es erledigt ist?

Wir könnten auch weiterdenken und ein bedingungsloses Stimmrecht einführen, erweitert um jene, die von einem Entscheid direkt betroffen sind. Neben Menschen ohne Stimmrecht könnten wir auch zukünftige Generationen, Kinder und Jugendliche, andere Staaten, die Natur und Tiere miteinbeziehen. Damit würden wir nicht nur das ursprüngliche Versprechen der Demokratie besser erfüllen, nämlich der Einbezug aller in politische Entscheidungen, sondern können von weiteren Vorteilen profitieren. Der Pool an Argumenten, über die wir diskutieren können, würde sich vergrössern. So lassen sich Konflikte bewältigen, die sonst nur unterschwellig brodeln. Offene Konfliktbewältigung wiederum macht das Zusammenleben langfristig stabiler, was für eine Gesellschaft und einen Staat sehr positiv ist. Und nicht zuletzt könnten dadurch gegenseitiger Respekt und Verständnis gefördert werden.

Dieser Text basiert auf dem Inputreferat «Wer soll entscheiden? Oder: Demokratie und Inklusion» von Prof. Dr. Marc Bühlmann, Politikwissenschaftler der Uni Bern und Leiter von Année Politique Suisse. Sein Inputreferat war Teil der Bürger:innen-Versammlung «Zukunft der Demokratie» des Demokratie Labor Basel, das am 16. März 2024 in Basel stattfand.

Zurück
Zurück

Schlussbericht Bürger:innen-Panel

Weiter
Weiter

Ideen für die Zukunft unserer Demokratie